TanzDIALOGE
Über / Haltung / Unter
Listening. Dance. Brain Cycles
Laurent Chétouane (Choreograph) & Tommaso Tosato (Neurowissenschaftler)
Transcription of the dialog : (PDF).
Deutsch :
“Wie beeinflusst der Gehörsinn unsere Bewegungen und den Körper im Allgemeinen? Können wir Bewegungen hören? Bewegung wird anders empfunden, wenn die visuelle Wahrnehmung des Körpers fehlt. Aber wie sieht ein Tanz aus, der allein aus der auditiven Wahrnehmung heraus geschaffen wird? In seinem letzten Stück “Invisible Piece #1” untersuchte Laurent Chétouane die Verbindung zwischen Hören und Bewegen und entwickelte eine Choreografie, die das Hören der Bewegung ins Zentrum der Beziehung zwischen den Tänzern stellt.
Der Neurowissenschaftler Tommaso Tosato arbeitet am Ernst Strüngmann Institut für Neurowissenschaften (Frankfurt a. M.). Dort erforscht er das Konzept der Gehirnzyklen und die Idee, dass die Gehirnaktivität einer Rhythmik unterliegt, die uns befähigt, Bewegungen wahrzunehmen und zu initiieren. Die Synchronisation dieser Zyklen wurde während des Sprechens und der Kommunikation im Allgemeinen beobachtet. Es geht davon aus, dass die Synchronisation von Gehirnrhythmen zur Feinabstimmung während des Sprechens dient und das Verständnis in einer Kommunikation verbessert.
In ihrem Gespräch wenden Chétouane und Tosato diese Idee auf den Tanz und die Wahrnehmung von Tanz an. Sie möchten zeigen, dass eine solche Synchronisation ebenso stattfindet, wenn Menschen, zum Beispiel als Mitwirkende einer Choreographie, denselben Raum und dieselbe Zeit teilen. Der Dialog gibt somit Einblicke in die unbewussten Prozesse, aus denen interindividuelle Beziehungen auf der Bühne, in Choreographie und Theater sowie in unseren sozialen Kontexten entstehen.”
English :
“How does the sense of hearing affect our movements and the body in general? Can we hear movements? When the visual perception of the body is not given, movement is perceived differently. What does such a dance look like that is created out of auditory perception? In his last piece, “Invisible Piece # 1″, Laurent Chétouane explored the connection between hearing and movement, and developed a choreography in which listening to the movement is at the center of the relationship between the dancers.
Tommaso Tosato is working with the concept of “brain cycles”: the idea that the brain activity is rhythmic, and that our ability to perceive and to initiate movements is mediated by these rhythms. What happens when we are together, sharing the same perception of space and time, but acting differently on it (e.g. being part of the same choreography)? Recent studies suggested that synchronization of brain rhythms is a fine tuning occurring during speech and enhancing its comprehension. Can we extend this idea to dance – and perception of dance?
In this open dialogue, Chétouane and Tosato will provide insights into the unconscious processes that nourish inter-individual relationships on stage, in choreography and theater, and in our social contexts.”
Moderation : Charlie Fouchier
Das Gespräch findet in englischer Sprache statt / Talk in English
Empfohlene Spende mind. 6€
Im Rahmen dieser Veranstaltung findet von 13 bis 17 Uhr in der Tanz Zentrale einen Tanzworkshop von Laurent Chétouane statt :
https://www.facebook.com/events/2216231481946400/
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Eine Veranstaltung vom Zentrum für Bewegliches Denken in Kooperation mit 4fürTanz e.V. und Residenz Schauspiel Leipzig.
Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Leipzig.
Hier geht´s zum Trailer der Reihe:
www.vimeo.com/295464654
Weitere Infos unter:
www.4fuertanz.de
und unter:
www.schauspiel-leipzig.de/spielplan/monatsplan/2018-10/ueber-haltung-unter/715/
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BIOGRAPHIEN :
Tommaso Tosato studierte an der Fakultät für Molekularbiologie in Padua und an der Fakultät für Neurobiologie in Pisa und forscht seit 2015 auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaften am Ernst Strüngmann Institut in Frankfurt. Er studiert die visuelle Wahrnehmung beim Menschen und bezieht sie auf Gehirnrhythmen: Die visuelle Wahrnehmung ist kein kontinuierlicher Prozess, sondern in der Tat rhythmisch, und dieser Rhythmus steht in Beziehung zu anderen sensorischen Modalitäten und zu motorischen Handlungen. Im Rahmen seiner Forschungen arbeitet Tommaso regelmäßig mit KünstlerInnen aus den Bereichen Tanz und Neurowissenschaften zusammen (z. B. mit Meg Stuart, Adriana Almeida Pees und Ildikó Tóth).
Der Choreograf und Regisseur Laurent Chétouane (1973 in Soyaux, Frankreich geboren) gehört zu den umstrittenen Regisseuren des deutschen Theaters und Choreographen der zeitgenössischen Tanzszene. Nach einem Ingenieurstudium absolviert er ein Studium der Theaterwissenschaft an der Pariser Sorbonne und der Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt.
Seit den späten 90er Jahre hat Chétouane einen unverwechselbaren Stil entwickelt. In seinen Theaterarbeiten inszeniert er Dramentexte der Antike, Klassik, Moderne und Postmoderne, von Sophokles über Goethe zu Heiner Müller und Sarah Kane und stellt Texte, Gesten und Bewegung bewusst und wie fremdbestimmt aus. Er inszeniert u.a. in Hamburg, München, Köln, Stuttgart, Athen und Oslo.
Mit seinen Tanzstücken #1-#4 entsteht ab 2006 eine zweite Linie in seinem Werk, in der es um die Frage nach der Notwendigkeit und dem Sinn der Bewegung geht. Für Tanzstück #1: Bildbeschreibung von Heiner Müller erhält Chétouane 2008 die Wild Card der RUHR.2010 und im selben Jahr den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für hervorragende junge Künstler. Zwei spätere Arbeiten horizon(s) und 15 Variationen über das Offene sind zur Tanzplattform 2012 und auch 2014 eingeladen. Das Solo O mit Mikael Marklund wird im Rahmen des Festivals d’Avignon und Sacré Sacre du Printemps (Gastspiele in Russland, Österreich, Frankreich, Schweiz, Belgien und Italien) bei der Ruhrtriennale 2012 uraufgeführt. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums des Elysée-Vertrages 2013 entwickelt Chétouane das Duo M!M zum Thema der Freundschaft. Im November 2016 wurde KHAOS, eine Zusammenarbeit mit Jean-Luc Nancy, uraufgeführt. Die nächste Premiere, von Partita 1, ist am 24. November 2017 im HAU Hebbel am Ufer Berlin.
Laurent Chétouane hatte 2016 die einjährige Christoph Schlingensief-Gastprofessur am Bochumer Institut für Theaterwissenschaft inne und lehrt am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Leitung: Nikolaus Müller-Schöll), als Gastprofessor am Institut für angewandte Theaterwissenschaft Giessen (Leitung: Heiner Goebbels) sowie an der Freien Universität Berlin und als Gastdozent in Bern, Oslo, Frankfurt am Main, Hamburg.